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Von Eseln wie “Selini”

Ein Besuch auf dem Agia Marina Donkey Rescue Sanctuary auf Kreta hat uns veranlasst, die Lebensumstände von Eseln näher zu beleuchten und diesen Beitrag zu schreiben. Der Lebenshof beherbergt zahlreiche Tiere, die von ihren Besitzern abgegeben, sehr oft aber auch vernachlässigter Haltung gerettet wurden. So wie der Esel “Selini”, welcher halbtot von seinen früheren Besitzern zurückgelassen wurde und dessen Geschichte uns sehr berührt hat. Dass die Tiere nun einen friedlichen Lebensabend verbringen können, ist tierlieben Menschen zu verdanken, welche die engagierten Betreiber mit Spenden für die Esel unterstützen.

Das Leiden der Esel

Der Esel ist dem Menschen seit Jahrtausenden ein treuer Gefährte. Er dient vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern als wichtiges Arbeits- und Nutztier, in anderen Ländern dem Tourismus oder als Attraktion im Streichelzoo oder Zirkus. Wenn das gutmütige Langohr nicht schwere Lasten oder wohlgenährte Touristen schleppen muss, wird es nicht selten geschlachtet, um sein Fleisch oder seine Haut zu benutzen. Dann wird der Esel zu Salami oder für ein vermeintliches Heil- und Schönheitsmittel, dem sogenannten chinesischem Ejaio, verarbeitet. Aber auch brutale Diebstähle und Tötungen durch Wilderer, qualvolle Transportwege, schlechte Haltungsbedingungen aufgrund mangelnder Aufklärung und unfachgerechte Schlachtungen verursachen zusätzlich unsägliches Esel-Leid.

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Der Esel Selini auf dem Agia Marina Donkey Rescue Sanctuary

Mehr Wertschätzung für Esel

Die Wichtigkeit der Esel steht weltweit in keinem Verhältnis zu den Bedingungen, unter denen sie leben müssen. Um mehr über die Hintergründe zu erfahren, haben wir ein Gespräch mit dem griechischen Esel-Shelter geführt. Dort leben 33 Esel – oft alt, verletzt und krank. Sie werden gefüttert, medizinisch versorgt und gepflegt. Viele Tiere sind älter und verbringen dort ihren Lebensabend. Oft landen sie dort, weil man keine Verwendung mehr für sie hat. Manche Esel sind ausrangierte Tourismus-Taxis, andere sind herrenlos geworden, weil ihre Besitzer sie nicht mehr wollten, verstarben oder halten konnten. In dem Eselheim wird unermüdlich gearbeitet. Allein die Zahn- und Hufpflege von so vielen Eseln erfordert große Anstrengung.

Was brauchen Esel?

Sie brauchen einen Stall und Freiflächen mit einem Unterstellplatz, der als Witterungsschutz dient. Das Fell des Esels ist nicht wasserdicht, es sollte nicht völlig nass werden. Doch sinnbildlich gesehen, wird der Esel leider oft im Regen stehen gelassen. Für die Fellpflege muss der Esel sich wälzen können, das ist eine seiner liebsten Beschäftigungen. Er benötigt also ausreichend Platz dazu. In einer Box herumzustehen, passt gar nicht zum Esel, denn er ist bewegungsfreudig. Auch die Fütterung, Wasserversorgung und Hufpflege der Esel bedarf einer Fachkenntnis. Die Aufnahme von Gras, Stroh, Getreide, Obst und Gemüse beispielsweise sollte reguliert werden, damit es nicht zu den gefürchteten Koliken kommt. Esel sollten nicht in Einzelhaltung leben und brauchen dringend Artgenossen, denn sie sind Herdentiere. Da sie sehr intelligent sind, freuen sie sich über Abwechslung, Spiel, geistige Herausforderung und Beschäftigung – und natürlich über Zuneigung und Freundschaft.

Den wahren Bedürfnissen des Esels werden die meistens schlechten Haltungs- und Lebensbedingungen, die überall auf der Welt für ihn herrschen, nicht gerecht. Laut einer Erhebung der Welttierschutzgesellschaft, die lediglich den Norden Tansanias betraf, waren in den Jahren 2016 und 2017 mindestens 40 % aller Esel wegen mangelnder Hufpflege von Lahmheit betroffen oder aufgrund mangelnder Wasserversorgung ausgezehrt. In anderen Ländern steht es bis heute nicht besser um den Esel. Auch und besonders der Klimawandel mit seinen furchtbaren Dürren lässt den Eselin ärmeren Regionen der Welt durstig und unterversorgt zurück.

2 Brown and Grey Donkey Closeup Photography

Die berüchtigte Störrigkeit

Der Esel ist ein treues, freundliches und kooperatives Mitgeschöpf. Immer hartnäckig hält sich das Märchen vom und dummen Esel, das mit der Realität nichts zu tun hat. Seine vermeintliche Sturheit ist eine schlaue Strategie, ein bewusstes Abschätzen der Lage. Er folgt nicht panisch einem Fluchtimpuls, sondern verwirrt in Gefahr seinen Gegner mit seinem Innehalten.

Der Esel kann Feinde schon von weitem wahrnehmen: Sein Gehör ist äußerst fein und seine seitlich platzierten Augen verschaffen ihm eine perfekte Rundumsicht. Er kann bestens sehen und sein Geruchssinn ist sehr ausgeprägt. Viele wissen auch nicht, dass der Esel mutig und selbstlos ist. Raubtiere scheut er nicht, wenn es darum geht, sein Rudel oder seinen Menschenfreund zu beschützen. Esel können laut schreiend auf einen Gegner zurennen, die Zähne dabei fletschen, kräftig zubeißen und gezielt mit den Hinterbeinen zuschlagen. Die V-förmige Aufstellung seiner langen Ohren ist nichts weiter als ein Victory-Zeichen.

brown horse with white and red carriage on the street

Griechenland

In Griechenland war der Esel seit jeher eine Art Nationalsymbol. Bis 1950 gab es noch über eine halbe Million Esel im Land. Der Bestand ist allerdings auf ein paar Tausend Exemplare geschrumpft. Jedem Griechenland-Urlauber sollte klar sein, dass man die Ausbeutung der Esel nicht für die eigene Bequemlichkeit oder ein bitteres Fotoshooting unterstützen sollte. Der Gesundheitszustand von Eseln, die Touristen oder Lasten schleppen, ist im Allgemeinen schlecht. Die Esel sind oft stark erschöpft, werden nicht selten überfordert, haben Druckstellen, Verletzungen und Wunden. Die unerlässliche Hufpflege erfolgt meistens nicht, was zu schmerzhaften Fehlstellungen führt.

Die Bedeutung des Esels in der Religion und Kultur

In Mythologie und Religion hat der Esel seinen festen Platz. Das Christentum berichtet, dass Jesus auf einem Esel zu Palmsonntag in Jerusalem einzog. Im Islam wird der Esel als verfluchtes Tier beschrieben und im Koran gilt seine Stimme als die „widerwärtigste“ überhaupt. In neuster Zeit ist der Esel auch wieder ein kulturelles Thema. Der preisgekrönte Kinofilm „EO“ (2022) beschreibt den Lebensweg eines Esels aus seiner Sicht, bis dieser in einem Schlachthof endet.

Den Esel ahnt von all diesem nichts. Er grüßt uns mit seinem lauten “Iaah” und hilft uns als empathischer und sanftmütiger Freund auch in der tiergestützten Therapie, wo er gern zum Einsatz kommt und Entspannung und Heilung verschafft. Freude bereitet er dem Menschen sowieso, deshalb sollten wir ihm danken und beistehen! Auf Lebenshöfen kann man Patenschaften für Esel übernehmen und somit dazu beitragen, dass sie einen schönen und freien Lebensabend genießen dürfen.

Den Agia Marina Donkey Rescue Sanctuary kann man bei einem Kreta-Aufenthalt besuchen. Es ist täglich außer montags geöffnet. Gerne erzählen die privaten Betreiber die ganz persönlichen Geschichten ihrer Schützlinge und Interessierte erfahren viel Wissenswertes über die Langohren. Man kann die Tiere streicheln und natürlich auch spenden sowie Patenschaft übernehmen. Im Internet findet man den Lebenshof hier.

Person Petting Donkey

Über die Deutsche Tierbotschaft (e.V.)

Die Deutsche Tierbotschaft hat sich zur Aufgabe gemacht, für mehr Achtsamkeit im Tierschutz zu sensibilisieren. Neben ihren eigenen Projekten berichtet sie immer wieder von Tieren in Notlagen, ihren Bedürfnissen, Hintergründen und den Engagements von Menschen, die sich ihrer annehmen. Damit möchten wir Impulse setzen und dazu inspirieren, selbst kleine oder große Beiträge für Tiere im eigenen Umfeld zu leisten.

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